„Der als ‚gemüthafter Meister der Kleinkunst‘, als ‚einfallsreicher Feuilletonist‘ und ‚schwäbischer Poet‘ Abgetane (einen Schritt weiter, und wir sind beim Heimatdichter aus Stuttgart) war in Wahrheit ein Artist und Poeta doctus, der – man lese den Essay ‚Gedichte machen‘ – seine Verse so gut wie die Prosa-Stücke mit hoher Bewusstheit (und großer Risiko-Bereitschaft) formulierte. Thaddäus Troll – das ist einer der letzten großen Impressionisten deutscher Sprache, ein Mann, der Worte, in immer neuem Umkreisen, zum Leuchten bringen kann, der mit Hilfe einer lyrisch-melodiösen Prosa Atmosphäre veranschaulicht, so, wie’s Tucholsky einmal konnte …“

Walter Jens im Nachwort zum Großen Thaddäus Troll-Lesebuch.

Hans Bayer wuchs im Stuttgarter Stadtteil Cannstatt als Sohn einer Familie auf, die in der Marktstraße ein Seifensiedereigeschäft betrieb. Er legte 1932 am Johannes-Kepler-Gymnasium das Abitur ab. Nach einer kurzen Volontärszeit bei der Cannstatter Zeitung studierte er an den Universitäten in Tübingen, München, Halle und Leipzig die Fächer Germanistik, Kunstgeschichte, vergleichende Literaturwissenschaft sowie Theater- und Zeitungswissenschaft und wurde 1938 in Leipzig mit der Dissertation Presse- und Nachrichtenwesen der im Weltkrieg kriegsgefangenen Deutschen zum Dr. phil. promoviert. In Tübingen war Bayer aktiv bei der Turnerschaft Palatia,  die dem Vertreter-Convent (abgekürzt VC) angehörte, einem Korporationsverband pflichtschlagender und farbentragender Studentenverbindungen. Bayer wurde 1938 Soldat und war als Angehöriger einer Propagandakompanie ab 1941 auch an der Ostfront im Einsatz. In dieser Funktion verfasste er unter anderem 1941 auch Texte zu antisemitischen Bildreportagen aus dem Warschauer Ghetto,  in denen Elend und Verwahrlosung der Bewohner zur Schau gestellt und mit antisemitischen Klischees verhöhnt wurden. Bayers Beiträge kamen an: In den Meldungen aus dem Reich wurde im Februar 1943 ein Kriegsbericht aus seiner Feder namentlich zu denjenigen mit der besten Aufnahme bei der Bevölkerung gezählt, da darin in der Haltung der Soldaten ein Beispiel und in der Ungebrochenheit der vordersten Front neue Zuversicht gegeben würden. Unter der Überschrift Getreu bis zum letzten Atemzug thematisierte er im März 1943 ganz im offiziell erwünschten, schönfärberischen NS-Propagandastil die Vernichtung der 6. Deutschen Armee in Stalingrad.  Eine Ausstellung, die sich mit dieser bislang wenig beleuchteten Phase in Leben und Werk Bayers befasst, wurde erstmals 2014 in Berlin in der Topographie des Terrors gezeigt. Aus der 1945 mit der Journalistin Dr. Elfriede Berger geschlossenen Ehe ging die Tochter Eva-Suzanne hervor. Nach wenigen Jahren ließ sich das Paar scheiden und Bayer heiratete die Journalistin Susanne Ulrici. Mit ihr hatte er zwei Töchter.

Bereits 1945 während seiner kurzen Internierung im von den Briten in Schleswig-Holstein eingerichteten Kriegsgefangenenlager Putlos konnte er mit der Leitung des Lagertheaters und der Lagerzeitung an seine Journalisten-Ausbildung anknüpfen. Nach der Entlassung wurde er 1947 Mitarbeiter des Spiegel, für den er bald und bis 1951 als Korrespondent aus Stuttgart und als Theaterkritiker aus dem süddeutschen Raum, der Schweiz und Österreich berichtete. Durch die vielen Reisen und seine umfassenden Sprachkenntnisse wurde er für den gerade entstandenen neuen Bundesnachrichtendienst (BND) interessant. Laut Mitteilung seines damaligen Arbeitgebers, des Nachrichtenmagazins Der Spiegel vom Juni 2013, wurde bestätigt, dass Bayer/Troll als Informant genutzt wurde – wobei nicht zu klären sei, ob er aktiver Informant des Geheimdienstes gewesen sei oder ohne sein Wissen von diesem abgeschöpft wurde. Um den Zwängen der Reportage und Sachliteratur etwas entgegenzusetzen, konzipierte er bereits 1945 mit Werner Finck in Stuttgart Das Wespennest als erste deutsche satirische Nachkriegs-Zeitschrift. Als die Zeitschrift 1949 mangels weiterer Autoren und zahlender Leser wieder eingestellt wurde, folgte als „Fortsetzung des Humors mit anderen Mitteln“ und wiederum zusammen mit Werner Finck die Gründung der Radikalen Mitte als „Parodie-Partei“, um einerseits der „Phrasendrescherei“ in der jungen Bundesrepublik den Spiegel vorzuhalten, andererseits sich eine Gelegenheit zu verschaffen, den „höheren Blödsinn“ zu pflegen. Wie erwartet stellte sich der parlamentarische Erfolg der Partei nicht ein, auch da Troll bereits im Dezember 1950 gemeinsam mit den Verlags- und Theaterschaffenden Georg Böse, Ernst Glaeser, Walter Erich Schäfer und Fritz Ludwig Schneider eine literarische Runde ins Leben rief, der getreu dem Namen „Tisch der Dreizehn“ exakt diese Anzahl von Persönlichkeiten aus möglichst unterschiedlichen Lebensbereichen angehören sollte.

Ab 1948 arbeitete er zudem als freier Schriftsteller. Für diese belletristische Seite seines Werkes wählte er das Pseudonym Thaddäus Troll, um so in „alphabetisch geordneten Bücherschränken links neben Tucholsky zu stehen“. In dessen satirischer Tradition war er auch bis 1953 Texter für das Düsseldorfer Kabarett „Kom(m)ödchen“.

Troll/Bayer verstand sich stets auch ohne Parteibuch als (berufs-)politisch aktiver Autor. 1959 wurde Troll/Bayer vom Süddeutschen Schriftstellerverband in den Rundfunkrat des Süddeutschen Rundfunks delegiert und wirkte von 1970 bis 1979 als stellvertretender Rundfunkratsvorsitzender, im Anschluss daran als Vorsitzender des Fernsehausschusses und Mitglied des Programmbeirats der ARD, um zum einen die Berücksichtigung von Programmen in Dialekt zu unterstützen und zum anderen die Auftragsvergabe für Hör- und Fernsehspiele an junge Autoren zu initiieren. Von 1968 bis 1977 war Troll auch erster Vorsitzender des baden-württembergischen Schriftstellerverbands, den er in den neu gegründeten Gesamtverband deutscher Schriftsteller (VS) führte. Ab 1970 stellvertretender Vorsitzender im VS-Bundesvorstand wurde auf seine Initiative hin im gleichen Jahr der Schriftstellerkongress unter dem Böllschen Motto „Einigkeit der Einzelgänger“ in Stuttgart abgehalten. Auf internationaler Ebene war Troll/Bayer seit 1971 Mitglied des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, wurde 1975 ins Präsidium des P.E.N.-Zentrums gewählt und war von 1978 an P.E.N.-Vizepräsident.

In einer privaten Briefaktion engagierte er sich 1969 für die Wahl von Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten. Von 1972 an unterstützte er – selbst nicht Parteimitglied – gemeinsam mit Günter Grass, Heinrich Böll, Klaus Staeck und weiteren Schriftstellerkollegen die Sozialdemokratische Wählerinitiative. 1974 erhielten die drei „einsilbigen“ Schriftsteller Böll, Grass, Troll eine Einladung zu einer Aussprache vor der SPD-Bundestagsfraktion. Sie wurde von der Frankfurter Rundschau unter der Überschrift angekündigt: „Eine Dichterlesung wird es nicht werden“. Wie bei seinen beiden Kollegen fielen auch bei Thaddäus Troll unbequeme Sätze: „Provozieren Sie die Opposition, die zur Zeit nur von der Schwäche der Regierung lebt … Haben Sie den Mut zu einer klaren Absage an den Staatskapitalismus, den Mut zum Widerstand gegen die Pressionen der internationalen Konzerne, den Mut zum Widerspruch gegen die Panikmacher, aber auch den Mut zur klaren Abgrenzung gegen die vom Modergeruch sozialistischen Aberglaubens umdünsteten Systemveränderer … Ihr Wähler erwartet von Ihnen eine Abkehr von der Mauschelei um Ämter als Sinekuren für ausgediente Funktionäre. Nicht das Parteibuch sollte als Fahrkarte zu Amt und Würden dienen. Die SPD kann sich erlauben, an den richtigen Platz den besten Fachmann zu setzen, auch wenn der kein Parteibuch hat.“

1980 nahm er sich, schon länger an schweren Depressionen leidend, 66-jährig in Stuttgart das Leben und wurde auf dem Steigfriedhof in Bad Cannstatt beerdigt. Die Trauerfeier hatte Troll/Bayer bereits zu seinen Lebzeiten geplant. Der Geistliche hatte sich so kurz wie möglich zu halten, ein von ihm selbst verfasster Nachruf wurde verlesen sowie an die Trauergäste verteilt. Anschließend wurde Wein der Sorte Trollinger aus seinem Geburtsort Cannstatt ausgeschenkt.

Zum Andenken an Thaddäus Troll vergab der von ihm 1973 mitgegründete Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg e. V. von 1981 bis 2022 den „Thaddäus-Troll-Preis“.

Quelle: Wikipedia

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